Saisonale Schwankung der Hirnleistung

– NZZ von Lena Stallmach –

Die Jahreszeit beeinflusst, wie stark unser Gehirn bei Denkaufgaben beansprucht wird. Bei einem Aufmerksamkeitstest im Sommer sind die involvierten Hirnareale am aktivsten.

 

Der Tag-Nacht-Rhythmus wirkt sich auf unser Befinden, den Hormonhaushalt und den Stoffwechsel aus. Auch die Jahreszeiten scheinen uns zu beeinflussen, zum Beispiel sind unterschiedliche Gene im Sommer und Winter aktiv . Dies wirkt sich auch auf unser Befinden und womöglich auf die Leistungsfähigkeit aus. Einige Menschen leiden unter einer Winterdepression, andere berufen sich auf die sogenannte Frühjahrsmüdigkeit. Nun zeigen belgische Forscher , dass die Jahreszeiten auch die Hirnaktivität beeinflussen: Obwohl die Denkleistung von Probanden das ganze Jahr hindurch auf dem gleichen Niveau blieb, waren die dabei involvierten Hirnregionen unterschiedlich stark aktiv.1 Demnach werden für die gleiche Aufgabe unterschiedlich viele Ressourcen gebraucht.
Abgeschnitten von der Umwelt

Die Forscher baten 28 Probanden ins Labor. Dort verbrachten diese viereinhalb Tage bei künstlicher Beleuchtung und einem vorbestimmten Schlaf-Wach-Rhythmus. Abgeschnitten von der Umwelt, wollte man andere Einflüsse möglichst minimieren. Am Morgen des vierten Tages beschäftigten sich die Teilnehmer mit Denkaufgaben, während ihre Hirnaktivität mittels fMRI gemessen wurde. In einem Test wurde die Aufmerksamkeit untersucht, in einem anderen das sogenannte Arbeitsgedächtnis, also die Fähigkeit, sich kurzfristig etwas zu merken, um es mit anderen Informationen zu verarbeiten.
Hochs im Sommer und Herbst

Die Auswertung zeigte nicht nur saisonale Schwankungen, sondern auch, dass die Hochs und Tiefs bei verschiedenen Denkaufgaben in unterschiedliche Jahreszeiten fielen. So war die Hirnaktivität in den betroffenen Hirnregionen während des Aufmerksamkeitstests im Sommer am höchsten und im Winter am tiefsten; bezüglich des Arbeitsgedächtnisses war sie dagegen im Herbst am höchsten und im Frühling am tiefsten.

Die Forscher vermuten, dass verschiedene Denkleistungen je nach Komplexität und den beteiligten Hirnregionen unterschiedlich von physiologischen Faktoren beeinflusst werden. Zum Beispiel seien saisonal unterschiedliche Werte bei Botenstoffen im Gehirn gemessen worden, schreiben sie – höhere Serotonin-Werte im Sommer und tiefere im Winter, aber höhere Dopamin-Werte im Herbst und tiefere im Frühling. Als Taktgeber für die unterschiedlichen Reaktionen kommen das einfallende Licht und die Temperatur infrage.
Zwei Interpretationen möglich

Unklar ist allerdings, was die Hochs und Tiefs in der Aktivität überhaupt bedeuten, vor allem, weil die Leistung der Probanden bei den Aufgaben stabil war. Dafür gebe es zwei mögliche Interpretationen, sagt der Leiter der Studie, Gilles Vandewalle von der Université de Liège in Belgien. Entweder falle einem eine bestimmte Aufgabe leichter, weil von Anfang an mehr Aktivität vorhanden sei. Oder aber sie falle einem schwerer, und deshalb müssten mehr Ressourcen aufgewendet werden. Er favorisiere die erste Erklärung, da man von der starken Verbreitung der Winterdepression darauf schliessen könne, dass Menschen bezüglich ihres Befindens im Winter mehr Probleme hätten, womöglich wirke sich das auch auf die Leistungsfähigkeit aus.

Die Studie sei gut gemacht, sagt Katharina Henke von der Universität Bern. Allerdings seien in den verschiedenen Jahreszeiten nur 4 bis 9 Probanden gemessen worden, das schränke die Aussagekraft der Studie ein. Dennoch halte sie das Ergebnis für plausibel.

 

 

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